Mein Traum von Gemeinschaft
Gute Freundschaften, regelmäßiger Austausch mit netten Menschen und ein Gefühl von Gemeinschaft sind für mich wichtige Faktoren für mein persönliches Glück. Das habe ich in den letzen Jahren erkannt.
Zwar habe ich in meinem Leben schon immer schon viel Wert darauf gelegt, Zeit mit netten Menschen zu verbringen. Aber erst durch die „Entwurzelung“ des digitalen Nomadentums lernte ich die Stetigkeit von Freundschaften und den regelmäßigen Kontakt wirklich zu schätzen. Als selbstständige Kleinunternehmer ohne festen Wohnsitz hatten wir in den letzten Jahren weder eine aktive Nachbarschaft noch täglichen Kontakt mit unserem Team im Büro. Und von unseren Familien hatten wir uns schon länger örtlich entfernt.
Als Resultat begannen wir uns mehr um bestehende und neue Freunde zu kümmern, auch wenn diese nicht gerade um die Ecke lebten. Die Herausforderung war, dass wir uns immer nur kurz & intensiv sehen konnte. Schließlich müssen unter der Woche ja (fast) alle arbeiten und die Wochenenden sind sowieso rar gesät. Manche Freunde kann man nur zwei mal im Jahr sehen, dafür ist man dann aber gleich das ganze Wochenende zusammen. So schön die Zeit auch ist, so ist es doch intensiv. Was wir vermissten war die Möglichkeit für regelmäßigen Austausch & Treffen im Alltag. Montagabend gemeinsam kochen mit A, Dienstag Tischtennis mit B, Mittwoch Frühstücken mit C, Donnerstag D beim Renovieren helfen,… Und zwischendurch ein entspannter Kaffeeklatsch zwischen Tür und Angel. Eine Gemeinschaft die immer da ist, in der man sich oft sieht und unterstützt.
2015, eine Jahr nach dem Aufbruch ins Nomadentum, fing dieser Traum an sich zu konkretisieren. Wäre es nicht super cool, mit offenen, herzlichen und motivierten Menschen an einem Ort zu leben? Sich gegenseitig zu unterstützen, zusammen zu Essen, gemeinsam Sport zu machen und nach und nach zu einer richtigen Gemeinschaft zusammen zu wachsen? Und vielleicht sogar gemeinsame Projekte zu starten?
Die Idee ist gut. Und so ziemlich jede Person, der wir davon erzählen, kann sich damit identifizieren. Nur sind die meisten Menschen stark beschränkt durch ihr jeweiliges Lebensmodell (Job, Familie, Haus) und durch ihren Wunsch, sich individuell zu verwirklichen. Fast niemand ist bereit, das eigene Leben radikal zu ändern und die hart erarbeite individuelle Freiheit ein Stück weit zugunsten von Gemeinschaft aufzugeben. Michaela und ich eingeschlossen.
Der Traum sollte also erst mal ein Traum bleiben. Mittlerweile sind fast 4 Jahre vergangen und der Wunsch nach Gemeinschaft in mir ist ungebrochen stark.
Auch das war ein Grund dafür im letzten Jahr MAKE IT COUNT ins Leben zu rufen. Denn DEN Ort gibt es noch nicht und wir sind auch nicht sicher, ob ein Ort überhaupt der richtige erste Schritt wäre. Deswegen ist das Ziel zunächst jene Menschen zusammen zu bringen, welche aufgrund ihrer Offenheit und Menschlichkeit in unseren Augen die Basis einer funktionierenden Gemeinschaft bilden könnten.
Ein hervorragendes Bespiel war unser letztes Event, die Wildnis Auszeit. Vier Tage gemeinsam mit 15 Gleichgesinnten in einem kleinen (Hütten-) Dorf in der Natur zusammenleben. Klar, das ist eine Ausnahmesituation und auf einen relativ kurzen Zeitraum begrenzt. Dennoch ist es einfach toll zu sehen, wenn aus einer Gruppe Unbekannter innerhalb kurzer Zeit eine funktionierende Gemeinschaft entsteht die sich super offen austauscht, gegenseitig unterstützt und in der die Aufgaben des täglichen „Wildnis“-Lebens tatkräftig gemeinsam angepackt werden. Ich wollte einfach nicht, dass die Tage zu Ende gehen.
Das Event zeigte mir wieder wie wichtig das Thema Gemeinschaft für mich ist und war der Anstoß, weiter darüber nachzudenken, was (m)eine (Traum-) Gemeinschaft langfristig bestehen lässt. Denn so schön sich der Traum von der perfekten Gemeinschaft immer liest - viele Konzepte, von Ökodörfern bis hin zu Mehrgenerationenhäusern, haben einfach auch ihre Schwächen und sind uns persönlich teilweise zu anstrengend. Wenn individualistisch geprägte Menschen langfristig zusammen wohnen wird es oft kompliziert.
Schlüssel für eine harmonische Gemeinschaft ist in meinen Augen u.a. die Heterogenität der Gruppe. Eine Gruppe 30-40-jähriger Online Unternehmer mit einem starkem Ego und Drang zu Freiheit hätte in meinen Augen keine Chance langfristig als Gemeinschaft zu funktionieren. Ein Gruppe mit einem bunten Mix aus Handwerkern, Akademikern und Künstlern verteilt über alle Altersklassen und mit einer gesunden Mischung aus intro- und extrovertierten Menschen vielleicht eher.
Entscheidend ist auch ein gewisse Werte-Grundlage und eine ordentliche Prise Menschlichkeit. So unterschiedlich wir beim Wildnis Camp auch alle waren, es gab viele Gemeinsamkeiten: Ehrlichkeit, Offenheit, Neugierde und Herzlichkeit waren bei allen spürbar. Jede/r hatte Lust auf die Zeit, war bereit sich einzulassen, Neues zu lernen und andere Meinungen interessiert aufzunehmen ohne zu urteilen.
Aber die größte Herausforderung einer Gemeinschaft ist wohl die gemeinsame Vision. Denn eine Gruppe von Menschen kooperiert dann am besten miteinander wenn sie ein gemeinsames Ziel hat. Beim Wildnis Camp gab es (zeitlich befristete) gemeinsame Aufgaben: Holz hacken, Feuer machen, Wasser holen, Essen zubereiten, Spülen. Vieles mussten wir in der Gruppe organisieren und aufteilen. Sowas schweißt zusammen - sind wir es doch heutzutage eher gewohnt Dinge für uns allein zu organisieren und oftmals auch isoliert von anderen mit Kopfhörern vor uns hin zu arbeiten.
Im Stammesleben der Steinzeit war das gemeinsame Ziel das Überleben. Die entscheidenen Faktoren für den Erfolg waren das systematische Teilen von Essen und die gemeinsame Verteidigung gegen Feinde. Aber was ist das gemeinsame Ziel heute? Dank technischem Fortschritt und Kapitalismus sind wir fast alle in der Lage uns selber am Leben zu halten. Wir können eigentlich alles kaufen oder mieten, was wir zum Überleben brauchen. Der Individualismus und der Drang nach Selbstverwirklichung werden immer wichtiger. Was schweißt also eine Gemeinschaft zusammen? Welche Identität, welches Ziel führt dazu, dass die Mitglieder ihre Individualität auch mal dem Wohl der Gemeinschaft unterordnen?
Manche Gemeinschaften wählen wahrscheinlich deswegen teils extrem wahrgenommene Ausrichtungen oder Feindbilder. Egal ob Religion, freie Liebe, Weltrettung oder Abschottung gegen Fortschritt und Kapitalismus. Wahrscheinlich hilft es dabei, die Gruppe(n) langfristig zusammen zu halten.
Ehrlich gesagt bin ich noch etwas ratlos, was unsere Vision sein könnte. Es hat sich nämlich gedreht. Früher war das Ziel klar (Überleben) und die Gemeinschaft notwendig. Heute entsteht der Wunsch nach Gemeinschaft eher aus dem Schmerz (soziale Isolation, Sinnsuche, Wunsch nach Austausch unter Gleichgesinnten, Flucht aus der urbanen Anonymität). Aber reicht das aus um eine langfristig funktionierende Gemeinschaft zu bilden? Vielleicht muss ein gemeinsames Projekt her. Eine gemeinsame Vision die größer ist, als jedes Mitglied der Gemeinschaft reicher, schöner, gesünder und glücklicher zu machen.
An dieser Vision arbeiten wir noch. Bis dahin ist unser Ziel erst einmal Menschen zusammen zu bringen und offenen Austausch und echte Verbindungen entstehen zu lassen. Menschlichkeit fördern, sozusagen.
In unserer heutigen Gesellschaft gibt es nur wenige Menschen die wir wirklich nah an uns heran lassen und mit denen wir täglich zu tun haben. Oft sind das der Partner, die Kinder oder ausgewählte Freunde. Danach kommt oft lange nichts. Versteht mich nicht falsch. Michaela und ich können uns glücklich schätzen, denn es ist super wertvoll einen Menschen zu haben mit dem man Beruf, Freizeit und Reisen teilen kann. Aber wir Menschen sind nicht dafür gemacht alleine, zu zweit oder in Kleinfamilien zu leben. Wir gehören in eine Gruppe, in eine Gemeinschaft. Einen Clan. Einen Tribe. Nenn es wie du willst. Ich bin fest davon überzeugt dass es uns besser geht, wenn wir jeden Tag bekannte Gesichter sehen, gemeinsam kochen, zusammen Sport treiben, uns bei der Kinderbetreuung unterstützen, etwas bauen oder ab und zu mal ein wildes Fest zusammen feiern.
Ich glaube zwar nicht, dass wir in den nächsten 5 Jahren ein Dorf bauen und eine feste Gemeinschaft gründen werden. Aber ist es nicht einfach schön davon zu träumen? Und die Aspekte, welche in unserem Alltag möglich sind, auch zu leben. Menschliche Nähe, Offenheit und viel Zeit mit den Personen, die uns wichtig sind. Ich glaube, die physische und emotionale Nähe zu anderen Menschen ist das was unsere tiefsten Bedürfnisse befriedigt und uns letztendlich glücklich macht.
Wir werden privat (in unserer neuen Heimat) aber auch mit MAKE IT COUNT versuchen, diese menschlichen Verbindungen weiterhin zu stärken. Und wer weiß was dann daraus entstehen kann.
Und ich freue mich, wenn du Teil von dieser kleinen Bewegung / Gemeinschaft wirst.