Die Rush Hour des Lebens
Kennst du dieses Gefühl alles gleichzeitig zu wollen? Beruflichen Erfolg, eine glückliche Familie (inkl. Kindern!?), ein schönes Eigenheim, enge Freundschaften, körperliche Fitness, erfüllende Hobbys, geistige Weiterentwicklung und kontinuierliches Lernen?
Bei vielen Menschen (uns inklusive) scheint diese sehr intensive „Rush Hour des Lebens“ ab ca. 30 Jahren einzusetzen. Die Leichtigkeit der wilden 20er und des Studiums liegt hinter uns, die ersten Schritte im Berufsleben sind geglückt und die Zeit wird immer dichter. Denn wir wollen immer mehr…
Zum Einen der Beruf. An uns und unserem Umfeld konnten wir es beobachten: Die ersten Jahre der Orientierung sind vorbei und es folgen Herzensprojekte, die der „wahren“ Bestimmung näher kommen. Andere haben die erste Stufe der Karriereleiter erklommen und genießen die damit einhergehende Anerkennung und Verantwortung.
Zusätzlich nimmt in den 30ern häufig der Kinderwunsch mehr Raum ein. Oder der Nachwuchs ist schon da, was den Alltag auch komplett ändert und „dichter“ macht.
Mit der Familienplanung wächst möglicherweise auch der Wunsch nach einem Eigenheim oder zumindest nach einem langfristigen Wohnsitz.
Nach mehr als 30 Jahren Lebenserfahrung haben wir außerdem mittlerweile eine große Menge an Freundschaften, Hobbys und Interessen angesammelt, die allesamt eine gewisse Zeit benötigen. Und natürlich soll parallel auch die körperliche und geistige Gesundheit nicht zu kurz kommen.
Alles in Allem werden unsere Leben gefühlt immer voller. Unser Umfeld trägt sein übriges dazu bei. Soziale Medien versprechen das Land der unbegrenzten Möglichkeiten und lassen uns immer „mehr“ wollen. Mehr Geld, mehr Erfolg, mehr Urlaub, mehr Gesundheit, mehr Glück,…
Wir sind freie Menschen
Aber es ist doch unsere Entscheidung, wie wir damit umgehen, oder? Keiner zwingt uns in das goldene Hamsterrad. Wir sind immer noch (größtenteils) freie Menschen und können (zu vielem) NEIN sagen.
Warum also nicht mal auf die Bremse treten?
Ich bin gerade Vater geworden. Alle sagen immer, dass man diese Zeit (wenn dein Kind ganz klein ist) nie mehr zurückbekommt. Und dennoch juckt es mich manchmal in den Fingern das nächste berufliche Projekt zu starten oder bei den Bestehenden richtig Vollgas zu geben. Aber ich denke mittlerweile, dass dieser Wunsch weniger von mir als viel mehr aus meinem Umfeld kommt. Viele meiner Freunde sind gerade auf dem Hochpunkt ihrer kreativen und produktiven Schaffenszeit. Ist es also wirklich MEIN Wunsch? Oder vielmehr eine „ich will auch“ Reaktion? Ist mir der berufliche Erfolg gerade wirklich wichtig? Ich glaube eigentlich nicht.
Deswegen reduziere ich bewusst meine Arbeitszeit und fokussiere mich auf die Dinge, die mir in dieser Phase wichtiger erscheinen. Meine Familie, meine Freundschaften und mein persönliches Wachstum.
Das Leben ist lang. Oder kurz.
Ein weiterer Grund, der dafür spricht nicht alles gleichzeitig machen zu müssen ist die Länge unseres Lebens. Entweder wir reihen uns in die Statistik ein und unsere gesunde Lebenszeit ist länger als die jeder vorangegangen Generation. Wir können spannende Projekte also auch noch zu einem späteren Zeitpunkt angehen. Oder aber wir haben Pech und uns trifft eine frühe Krankheit. Dann ist es noch wichtiger bis zu diesem Zeitpunkt das gemacht zu haben, was uns wirklich wichtig ist. Zum Beispiel für Familie und Freunde da zu sein.
Denn mittlerweile denke ich, dass jeder Moment der bewusst gelebt wird unendlich viel wertvoller ist. Ich möchte morgens, wenn ich mit meiner Tochter spiele, nicht im Kopf beim nächsten Termin sein. Ich möchte Zeit haben, spontan Freunde zu treffen. Und ich möchte Zeit haben zu meditieren und meinen Körper gesund zu halten. Und ich frage mich an dieser Stelle: Wie viel kann ich realistischerweise wollen und verfolgen ohne dass ich alles nur halbherzig mach? Die Antwort weiß ich noch nicht genau, aber vom Gefühl her ist es deutlich weniger als ich mir jede Woche vornehme.
Ich plädiere also dafür nicht alles gleichzeitig zu machen. Weniger, dafür besser und intensiver. Fokus! Michaela bringt an dieser Stelle gern die Metapher des "alles gleichzeitig wollenden" Esels an. Er steht zwischen der Wassertränke und dem Heuballen und kann sich nicht entscheiden. Er will beides gleichzeitig und statt nacheinander zu konsumieren verdurstet UND verhungert er.
Klar, manche Dinge (z.B. Kinder) lassen sich nicht ewig aufschieben. Aber zu vielen zeitlichen und geistigen Verpflichtungen können wir bewusst nein sagen oder sie zumindest auf einen Zeitpunkt später im Leben verschieben.
Wir dürfen uns also frei machen von externen Erwartungen, von „das macht man halt so“, von „ich sollte“ oder gar „ich muss“. Ich fokussiere mich auf das, was MIR JETZT wirklich wichtig ist. Und nicht darauf, was anderen momentan wichtig erscheint.
Ich gestehe, dass auch mir das nicht immer leicht fällt. Genau deswegen schreibe ich darüber. Um mir klar zu werden, was ich eigentlich will.
Was denkst du? Weißt du denn, was dir aktuell wirklich wichtig ist? Womit du mehr und womit du weniger Zeit verbringen willst, unabhängig von der Erwartung anderer? Ich würde mich sehr über dein Feedback in den Kommentaren freuen.