Zeit zum Nachdenken
Mir ist aufgefallen, wie wenig Zeit ich zum Nachdenken verwende. Fast jede freie Minute meines Tages ist gefüllt mit Aktivitäten, To Dos, Unterhaltungen oder dem Konsum von Medien. Kaum habe ich eine Tätigkeit abgeschlossen stürze ich mich schon in die nächste Beschäftigung. In der Vergangenheit habe ich es oft geschafft sogar die Zeiten zu „füllen“, die eigentlich prädestiniert sind zum Nachdenken: Spazieren gehen? Och, da kann ich ja telefonieren. Autofahren? Perfekt um den neuesten Podcast zu hören. Am Strand chillen? Das Buch ist aber gerade so spannend. Auf dem Klo sitzen? Schnell noch mal *** checken (setze die App deiner Wahl ein: Insta / facebook / E-Mail / News / Wetter ).
Warum machen wir das? (Ich spreche von wir, weil ich glaube, dass ich damit nicht alleine bin). Haben wir Angst etwas zu verpassen (FOMO) oder sogar vor der Langeweile? Was passiert denn so schlimmes, wenn wir uns mal die Zeit nehmen unseren Gedanken freien Lauf zu lassen? Wovor rennen wir davon mit unserem Aktionismus?
Die Gründe können vielfältig sein (das Überangebot an Ablenkung ist einer davon), aber nicht zu selten gehen wir anstrengenden oder unangenehmen Gedanken aus dem Weg. Aber gerade diese Gedanken sind es wert zu Ende gedacht zu werden. Denn wenn uns eine Sache wirklich so sehr beschäftigt, dass sie sich immer wieder in den Vordergrund drängt, dann möchte sie wohl mal beachtet werden.
Tagsüber, solange wir beschäftigst sind, ist oft alles gut. Aber am Abend oder in der Nacht wenn man zur Ruhe kommt und eigentlich schlafen will springt der Kopf auf einmal an und begibt sich in eine Gedankenspirale voller Sorgen, Ängste oder unerledigter Aufgaben. Das kennt jeder von uns, oder? Vielleicht könnten wir diesen „Nachtkopf“ ja verhindern, wenn wir uns tagsüber mal Zeit nehmen um wirklich nachzudenken.
Erst Denken, dann Handeln
Ich nehme mir also vor, in Zukunft mehr nachzudenken. Denn wenn ich es mal schaffe mir die Zeit zu nehmen, dann sind diese Momente der Ruhe und Reflexion so wertvoll und gut investiert. Ganz egal worum es geht. Es lassen sich Redundanzen aufdecken, Beziehungen verbessern, wichtige Lebensentscheidungen beleuchten, Prozessverbesserungen finden oder es stellen sich sogar komplette Projekte und Tätigkeiten als sinnlos heraus, die mich sonst Unmengen an Zeit gekostet hätten. Die eigentliche „Arbeit“ geht auch viel schneller von der Hand, wenn man sich vorher ausreichend Gedanken gemacht hat.
Bei Michaela fällt es mir extrem auf. Wenn sie sich hinsetzt und einen Artikel schreibt geht das super fix. Aber nur, weil sie den Artikel vorher in ihrem Kopf schon komplett durchdacht, quasi schon ausformuliert hat. Für sie findet dieser Denkprozess meist beim Handarbeiten (Häkeln / Stricken / Nähen) oder Backen statt.
Auch mir geht es so: Die richtig guten Ideen kommen mir nicht, wenn ich vor dem Bildschirm sitze. Beim Wandern hingegen sprudelt mein Unterbewusstsein mit Ideen und Lösungsansätzen. Eine leichte körperliche Anstrengung in Verbindung mit einem Ausblick in die Natur scheint meine Gedanken ungemein zu beflügeln. Ich habe mein Handy (auf Flugmodus) dabei um mir wichtige Ideen notieren zu können und so wieder Platz zu schaffen im Kopf für neue Gedankengänge.
Nachdenken vs. Meditieren
Jetzt könnte man natürlich sagen: Ich meditiere doch regelmäßig, ist das nicht das gleiche?
Bei der Mediation, wie ich sie in den letzten Jahren oft praktiziert habe (hinsetzen, App starten, Atmen), geht es eigentlich nicht ums Nachdenken. Ich habe mich nicht selten dabei erwischt wie ich gezwungener Maßen versucht habe mich auf das Atmen zu fokussieren und Gedanken beiseite zu schieben um Platz für die viel angepriesene Leere im Kopf zu schaffen. Dabei habe ich überhaupt nichts gegen Meditation, finde sie sogar sehr hilfreich. Allerdings sollte sie nicht mit der Zeit konkurrieren, die ich zum Nachdenken habe. Meiner Erfahrung klappt die Meditation auch viel besser, wenn ich vorher meine Gedanken sortiert, notiert und sauber zu Ende gedacht habe.
Spazierengehen während der Arbeitszeit
Ich werde auch keine schlechtes Gewissen mehr haben, wenn ich in meiner „Arbeitszeit“ spazieren gehe um Nachzudenken. Denn ich möchte mich vom Zwang lösen immer produktiv zu sein. Wenn mich Michaela fragt, an was ich heute gearbeitet habe möchte ich auch mal mit Stolz sagen können „ich habe nachgedacht“ anstatt eine Liste von zig unwichtigen To Do’s herunterzubeten.
Die Vogelperspektive
Also mein Ziel ist es jetzt noch öfter aus dem Kreislauf der ewigen Beschäftigung zu treten, mal die Vogelperspektive einzunehmen und mir u.a. folgende Fragen zu stellen:
>> Was beschäftigt mich gerade?
>> Wovor habe ich Angst?
>> Was ist mir wirklich wichtig?
>> Was läuft gut / nicht so gut?
Im Alltag werde ich dafür…
>> Stille aushalten —> nicht immer mit Ablenkung reagieren
>> Proaktiv Zeit zum Nachdenken schaffen —> öfter alleine spazieren gehen
>> Gedanken zulassen (egal welcher Art) und von vorne bis hinten zu Ende denken
>> Auch mal nichts tun (wir nennen das „Nixen“)
>> Aufgaben auch mal aussitzen, es muss nicht immer alles sofort passieren.
>> Ideen & Gedanken die mir spontan kommen aufschreiben um so Platz zu schaffen für neuen Fokus
Soweit so gut. Ein wichtiger Aspekt fehlt allerdings noch. Um neue Inspiration zu erhalten und Feedback auf meine Gedanken zu bekommen ist es natürlich extrem wichtig regelmäßig zu reden. Mit dem Partner / der Partnerin, Freunden, Kollegen oder Familie. Denn manchmal brauchen wir genau diesen externen Input um unsere Gedanken auf die richtige Bahn zu lenken.
Wie geht es dir? Hast du genug Zeit zum Nachdenken? Ich freue mich über Feedback!
PS: Diesen Artikel habe ich in 1,5 Stunden geschrieben, nach dem ich am Tag zuvor meine Gedanken gesammelt habe. Beim Yoga und Spazieren gehen.